"SAN YAO SU"
Verein für chinesische Kampf- & Bewegunskünste e.v.
Dieser Blog ist dazu gedacht, Gedanken, Hintergrundwissen und Interessantes rund um die Kampfkünste, die asiatische Kultur und Philosophie anzubieten. Er ist aber auch dafür da, zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen. In erster Linie vertritt jeder Beitrag die Meinung und Sichtweise des jeweiligen Autors.
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15.04.2021
Wird man von “normalen” Leuten, Freunden oder Bekannten, gefragt, was man denn für einen Sport macht, weicht man meist in eine allgemeine Antwort aus: “Kampfsport, chinesisch, Shaolin und so, …”. Eine genauere Antwort erscheint häufig wenig sinnvoll, da die meisten die Unterschiede in den asiatischen Kampfkünsten nicht kennen.
Spricht man mit anderen Kampfsportlern, antwortet man häufig mit: “Kung Fu, der und der Stil, …”.
Doch stimmt das überhaupt? Machen wir wirklich eine Kampfkunst namens „Kung Fu“? Müsste es nicht eigentlich Wushu heißen?
Um das zu klären, müssen wir tief in die chinesische Schrift und Sprache abtauchen und nachsehen, zum Einen, wie die beiden Begriff übersetzt werden, zum Anderen, was sie bedeuten. Und genau da liegt das Problem, welches man häufig hat, wenn man sich mit der chinesischen (Schrift-)Sprache auseinandersetzt. Es handelt sich um eine Bildsprache, die sich aus Piktogrammen, also teils abstrakten Bildern als Symbole für bestimmte Worte, entwickelt hat. Das lässt viel Spielraum für Interpretationen, was es selbst chinesischen Gelehrten häufig schwer macht, alte Texte zu übersetzen. Obwohl die Symbole sich kaum verändert haben.
Aber zurück zu unserem Anliegen. Um zu klären, was wir denn nun eigentlich machen, schauen wir und beide Begriffe, Kung Fu und Wushu, in ihrer einfachen Übersetzung und ihrer teils abweichenden Bedeutung, etwas genauer an.
Gibt man “Kung Fu” in einen Übersetzter ein erhält man die Schriftzeichen 功夫 (Gong Fu). Lässt man sich das dann zurück übersetzen, lautet die Antwort: “Anstrengung”. Na das passt ja ganz gut, denn im Training heißt es immer: “… Kung Fu heißt harte Arbeit …”. Betrachten wir uns aber die beiden Schriftzeichen etwas genauer.
Das erste Zeichen 功 (Gong) bedeutet Arbeit (oder arbeiten). So weit so gut. das zweite Zeichen aber bedeutet nicht etwa “schwer” oder “schwierig” oder “anstrengend” usw. Nein, das zweite Zeichen 夫(Fu) heißt “Mann” (oder “Ehemann”). ?!? Also wörtlich lautet die Übersetzung für (Gong Fu) “arbeitender Mann” bzw. “Arbeit, die vom Mann verrichtet wird”. Da manche Begriffe der menschlichen Sprache nicht, oder nur schwer, bildlich darstellbar sind, muss man das eben etwas umschreiben. Arbeit, die in der Regel von Männern zu verrichten war, galt stets als anstrengen, daher ist die Bedeutung des Ausdrucks (Gong Fu) durchaus mit der Assoziation für harte / schwere Arbeit gleichzusetzen.
Aber diese Interpretation entspricht nicht exakt dem, was eigentlich mit diesem Ausdruck gemeint ist. Im chinesischen Sprachgebrauch steht 功夫(Gong Fu) für Etwas (Fähigkeit), dass man durch harte Arbeit erreichen kann. Und das gilt für alle Bereiche des täglichen Lebens, nicht ausschließlich für die Kampfkünste. Ein Virtuose am Klavier kann genauso Gong Fu haben, wie ein Sushi-Meister oder ein Meister der Kampfkünste. Es beschreibt also eher etwas, was wir versuchen zu erreichen (ein Ziel) und nicht etwas, was wir machen, um dieses Ziel zu erreichen!
Doch wie alles andere auch, so verändert sich auch die Sprache und ihr Gebrauch. Häufig geschieht dies durch ungeklärte Missverständnisse. Als die chinesischen Kampfkünste begannen, sich auch in der westlichen Welt (anfangs vor allem in Amerika, Filmindustrie) zu verbreiten, kam es eben auch zu einem solche Miss- oder Mangelverständnis. Was letztlich dazu führte, das der Begriff Gong Fu (Kung Fu) fälschlicher Weise zum Synonym für die chinesischen Kampfkünste wurde. Selbst in China setzt sich diese Deutung heute immer mehr durch. Spricht man von Kung Fu, meint man in der Regel den Sport.
Kommen wir zum zweiten Begriff, Wushu. Auch hier gibt es Unterschiede zwischen Übersetzung und Deutung, zumal es zwei unterschiedliche Deutungsansätze gibt.
Doch zunächst: Was sagt der Übersetzer?
Die Schriftzeichen für Wushu sind 武术(vereinfachte Schreibweise) bzw. 武術(traditionelle Schreibweise). Ob nun vereinfacht oder traditionell, die Schreibweise spielt für unsere Betrachtung keine Rolle.
Eine Rückübersetzung der Zeichen ergibt den simplen Ausdruck: “Kampfkunst”. Das ist es also, was wir machen!
Doch auch hier lohnt sich eine genauere Betrachtung, um die ?wahre? Bedeutung zu erfassen.
Wushu setzt sich aus den beiden Zeichen 武(Wu), das bedeutet kriegerisch, und 术(Shu), das bedeutet Technik, zusammen. Also wörtlich “kriegerische Techniken”. Klingt jetzt erst mal nicht so defensiv und friedliebend, und schon gar nicht nach “Kunst”, wie es die meisten “Kungfuler” für sich in Anspruch nehmen. Aber gehen wir tiefer. Schauen wir uns das Zeichen 武 (Wu) und seine (möglichen) Deutungen genauer an.
武(Wu) setzt sich selbst ebenfalls aus 2 Zeichen zusammen. Das Partikel 止(Zhi) heißt wörtlich “nur” und ist Bestandteil des Ausdruckes “etwas stoppen / verhindern / abwehren”. Das Partikel 戈(Ge) ist eine Bezeichnung für eine Messeraxt oder Hellebarde, also allgemein für eine Waffe (Wenn man sich das Zeichen genau anschaut, kann man darin so etwas wie eine Axt erkennen). Vereint man also die Deutungen für 止(Zhi) und 戈(Ge) im Zeichen 武(Wu), ergibt sich die bei Kampfkünstlern sehr beliebte, weil Defensive Deutung: “Eine Waffe stoppen”. 武术(Wushu) bedeutet jetzt also: “Techniken, mit denen man eine Waffe stoppen kann”, odere wer es noch weiter verallgemeinern möchte: “Techniken um einen Kampf zu verhindern”. Klingt doch gut. Und vor allem nicht so „angriffslustig“ und martialisch. Und kommt dem Kunstgedanken recht nahe finde ich (philosophisch betrachtet wenigstens).
Es gibt aber noch eine andere Deutung des Zeichens 武(Wu), speziell geht es hier wieder um dessen Partikel 止(Zhi). Je nach Kontext steht dieser auch in der Bedeutung „Fuß“. Daraus ergibt sich dann für 武(Wu) eine Bezeichnung für das bewaffnete Fußvolk, also den Krieger an sich. Diese Deutung wird im japanischen Wort Bushido (武士道, chin. Wu Shi Dao - Weg des Kriegers) besonders deutlich. Bu Shi (武士) ist der Kriegsgelehrte oder einfach Krieger, Do (道) ist der Weg. (Im chinesischen und japanischen sind die oben genannte Schriftzeichen und deren Bedeutung tatsächlich die gleichen!)
Wie man sieht, kann eine recht einfache Frage sehr komplexe Antworten hervorrufen. Es ist sehr interessant, sich mit der chinesischen Schrift und ihrer Deutung auseinanderzusetzen, aber man muss sehr aufpassen, sich nicht in irrwitzigen, esoterischen, vom Kontext losgelösten Deutungen zu verfangen.
Doch zur Ausgangsfrage - was machen wir denn nun?
Beide Begriffe sind im heutigen Sprachgebrauch richtig, um die chinesischen Kampfkünste zu benennen. Ob nun Kung Fu, wie es die „Traditionalisten“ bevorzugen, oder Wushu ist denke ich Geschmacksache.
Historisch korrekt ist die Bezeichnung Wushu. (Oder Budo für die japanischen Kampfkünste).
Man kann auch beides korrekt in einem Satz verwenden:
„Wir trainieren Wushu, um Gong Fu zu erreichen“
Copyright
路萨沙 - Bodhisattva on a sandy road
Sascha - 09:23:40 @ Sprache, Philosophie, Training | Kommentar hinzufügen
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